Die Etruskischen
Kolonialstädte
Wohl dank der Schriften griechischer Stadtbautheoretiker, des zunehmenden
Wohlstandes und der vermehrten Kolonisationstätigkeit, verbreitete sich das
orthogonale Bebauungsmuster überall im Mittelmeerraum. Wir finden es in
Karthago genausogut wie in Etrurien (Marzabotto). Mit seiner Verbreitung
entstehen zugleich verschiedene Spielarten. Dort, wo der griechische Einfluss
direkter ist, wie in Kleinasien, Syrien, Ägypten und in der punischen Welt,
bevorzugt man Grundrisse mit schmalen, langgestreckten Häuserreihen. In den
Randgebieten griechischen Kultureinflusses, wie in Italien, entwickeln sich
andere, vom “hippodamischen” Muster abweichende Formen des orthogonalen
Schemas, wenn auch vielleicht in Anlehnung an griechische Vorbilder (10).
Dieser frühe orthogonale Städtebau in Italien steht im Zusammenhang mit der
etruskischen Kolonisationstätigkeit zwischen 550 und 450 v.Chr., die zwei Stossrichtungen
hat: die eine strebt gegen Süden nach Kampanien, die andere nach Norden in die
Po-Ebene und darüberhinaus (11).
In Kampanien entsteht die etruskischen Kolonie Capua (12). Strabon sagt, Capua sei im ersten Viertel des 5. Jahrhunderts
v.Chr. von den Etruskern gegründet worden (13); Cato berichtet in seinen Origines, die Gründung der Stadt sei 260
Jahre vor ihrem Anschluss an Rom (ca. 340 v.Chr.) erfolgt und Velleius
Paterculus bezeichnet als Jahr der Gründung das Jahr 800 v.Chr. Die archäologischen
Funde zeigen, dass das Gebiet des antiken Capua seit dem 9. Jahrhundert v.Chr.
bewohnt war. Capua liegt an der Via Appia und war der wichtigste Ort in Kampanien.
Weil die Stadt in flachem Gelände liegt, kennen wir den orthogonalen Grundriss
der Stadt relativ gut.
Die etruskische Herrschaft über Kampanien war nicht von langer Dauer.
Bereits im 5. Jahrhundert v.Chr. mussten sich die Etrusker unter dem Druck der
Samniter, die von den Bergen zur Küste drängten, zurückziehen, nachdem das
Gebiet durch das Erstarken Latiums vom etruskischen Mutterland abgeschnitten
worden war. Der Verlust Kampaniens führte zu einer verstärkten
Kolonisationstätigkeit im Norden der Halbinsel. Wahrscheinlich nach der
Schlacht bei Alalia im Jahr 535 v.Chr. entstanden nördlich des Apennin unter
anderen die Städte Atria, Spina und Marzabotto.
Atria
Die ersten Spuren einer Siedlung im Gebiet der heutigen Stadt Adria reichen in die Zeit zwischen dem 10. Und dem 6. Jahrhundert v.Chr zurück als die Veneter Pfahlbauten in dem sumpfigen Gelände errichteten, das damals direkt am Meer lag. Am Anfang des 6. Jahrhunderts v. Chr. war Adria eine einfache etruskische Siedlung an der Mündung des Mincio. Wegen seiner strategischen Lage gründeten hier 385 v.Chr, die Syrakuser einen Handelplatz als sie ihre Handelsbeziehungen auf die Adria ausdehnten. Die Stadt wurde später Beute der keltischen Gallier. Durch die fortschreitende Verlandung der Po-Mündung verlor die Stadt ihren Standortvorteil und wurde nach und nach verlassen.
Die ersten Spuren einer Siedlung im Gebiet der heutigen Stadt Adria reichen in die Zeit zwischen dem 10. Und dem 6. Jahrhundert v.Chr zurück als die Veneter Pfahlbauten in dem sumpfigen Gelände errichteten, das damals direkt am Meer lag. Am Anfang des 6. Jahrhunderts v. Chr. war Adria eine einfache etruskische Siedlung an der Mündung des Mincio. Wegen seiner strategischen Lage gründeten hier 385 v.Chr, die Syrakuser einen Handelplatz als sie ihre Handelsbeziehungen auf die Adria ausdehnten. Die Stadt wurde später Beute der keltischen Gallier. Durch die fortschreitende Verlandung der Po-Mündung verlor die Stadt ihren Standortvorteil und wurde nach und nach verlassen.
Spina (14) war im 5.
Jahrhundert v.Chr. der grösste Adria-Hafen und stand in lebhafter
wirtschaftlicher Verbindung mit Griechenland. Es war eine Lagunenstadt wie
Venedig, in der sich der Verkehr auf einem Kanalnetz abwickelte, das, wie das
Strassennetz “hippodamischer” Städte, orthogonal angelegt war. Chevallier (15)
vertritt die Auffassung, dass Spina die erste nach orthogonalem Muster
angelegte Stadt der Etrusker gewesen sei und als Vorbild für die Planung von
Marzabotto gedient habe (16).
Den Grundriss von Marzabotto kennen
wir durch die Ausgrabungen, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts erfolgen
(17). Die orthogonal angelegte Stadt liegt 25 km südlich von Bologna im
Reno-Tal an einer alten Pass-Strasse über den Appennin, die Etrurien mit der
Po-Ebene verband. Lange Zeit hat man geglaubt, dass der etruskische Namen der
Stadt „Misa“ gewesen sei, weil der Ort
auf einer heute Misano genannten
Ebene liegt. Heute denkt man eher daran, dass der Ort Kainua hiess, denn darauf
deuten die Inschriften auf zwei Bucchero-Gefässen hin, die 1999 in der Nähe des
Tinia-Tempels gefunden wurden.
Die Stadt entstand in zwei Phasen, die von den Archäologen Marzabotto I und
Marzabotto II genannt werden. Marzabotto
I entstand zwischen 550 und 500 v.Chr. und war eher ein Dorf mit einfachen
Hütten, die sich über die gesamte Ebenene verteilten, das aber schon Tempel,
Kult- und Begräbnisplätze besass. Ein Kultplatz oder Altar stand in der Nähe
einer Quelle.
Zu Beginn des 5. Jahrhunderts v.Chr entstand dann Marzabotto II, die orthogonal angelegte, nach etruskischem Ritus
gegründete, streng nach den Haupthimmelsrichtungen ausgerichtete Stadt. Von
dieser Stadt kennt man das orthogonale Strassennetz mit vier Haupt- und
mehreren Nebenstrassen, die Grundmauern von mehreren Handwerkerhäusern mit
Wohnteil und Werkstatt, die Akropolis mit Tempeln, mehrere Kultstätten, zwei
Nekropolen, die Reste von Wasserleitungen und Abwasserkanälen, eine Ziegelei
sowie eine Giesserei, die es schon in Marzabotto I gegeben hatte.
Die Stadt wurde aber schon in der Mitte des 4. Jahrhunderts, infolge der
keltischen Invasion in Norditalien wieder aufgegeben. Der Ort blieb seitdem
unbesiedelt. Er ist für uns von besonderem Interesse, weil der ursprüngliche
Stadtplan gut erhalten ist, weil ihn keine späteren Bebauungen zerstört haben.
Die Ausgrabungsstätte und das dazugehörige Museum liegen unweit der Autobahn A1
(Mailand-Rom, Ausfahrt Sasso-Marconi).
Die etruskische Kolonisationstätigkeit im Norden Italiens kam bald durch
die Besiedlung der Po-Ebene durch keltische Völker im 4. Jahrhundert v.Chr. zum
Erliegen. Hauptorte wie Bologna (etr. Felsina) und Mantua erlangten später
unter den Römern wieder überregionale Bedeutung, denn sie lagen an wichtigen
internationalen Handelsstrassen.
Wie andere Völker auch, haben die Etrusker bei ihren kolonisatorischen
Stadtneugründungen mit orthogonalen Bebauungsplänen gearbeitet. Die alten
Städte Etruriens, wie Tarquinia, Caere, Vetulonia, Orvieto, Populonia, sind
hingegen noch unregelmässig angelegt und aus langsamen Wachstum der Siedlungen oder
dem Zusammenwachsen von älteren Siedlungen hervorgegangen (18).
Anmerkungen
Anmerkungen
(10) Heurgon, J.: Die Etrusker, Stuttgart (1971), S. 191
(11) Die etruskische Kolonisation in der Po-Ebene setzt
Heurgon (op.cit.) ans Ende des 6. Jahrhunderts v.Chr., während Pfiffig
(Einführung in die Etruskologie, Darmstadt (1972), S. 42) für eine Datierung
ins 7. oder 6. Jahrhundert plädiert.
(12) Heugon, J.: Recherches sur l’histoire, la réligion
et la civilisation de Capoue préromaine (1942) sowie: Pallottino, M., in La
Parola del Passato, Nr. 47 (1956), S. 85ff.
(13) Strabon: Geographie V (Italien), 4.3
(14) Nach Pallottino, M.:
Etruscologia, 6. Ed., Milano (N.D. 1973), S. 154, ist die etruskische
Anwesenheit nördlich des Apennin gesichert für das Ende des 6. Jahrhunderts
v.Chr., besonders aber für das 5. Und 4. Jahrhundert v.Chr.
(15)
Chevallier, R., in: REA LIX (1957), S. 446
(16) Heurgon, J.: Die Etrusker, Stuttgart (1971), S.
193ff.
(17) Govi Elisabetta (a cura di), Marzabotto una città etrusca, Bologna 2007
Mansuelli,
G.A.: Guida alla città etrusca e al museo die Marzabotto, 2. Ed., Bologna
(1971); Mansuelli, G.A.: Una città etrusca nell’Appennino settentrionale, in:
Situal (1965), S. 154-170; Mansuelli G.A.: La città etrusca di Misano, in: Arte
antica e moderna, 17 (1962), S. 14
(18)
Ducati, P.: La città etrusca; in: Historia IX (1931), S. 3ff.
Nessun commento:
Posta un commento