lunedì 17 agosto 2015

Allgemeines

Die im Altertum von Griechen und Römern geplanten Städte mit ihren geradlinig verlaufenden und meist rechtwinklig sich schneidenden Strassen, mit ihren rechteckigen Baublöcken und ihren hochentwickelten Kanalisations- und Wasserleitungssystemen, haben seit langem das Interesse von Architekten, Städtebauern und städtebaulich interessierten Geschichtsforschern erregt. Von den Forschern, die grundsätzliche Untersuchungen zu diesem Thema angestellt haben, sollen hier nur zwei Namen genannt sein: Ferdinando Castagnoli und J.B. Ward Perkins.

Orthogonal angelegte Städte finden sich in der ganzen Welt. Orthogonalitàt ist kein spezifisches Merkmal antiker römischer oder griechischer Städte, rechtwinklig angelegte Siedlungen und Städte gab es schon lange vor den Römern und Griechen, wie denn die orthogonale Stadtplanung an keine besondere Zeit und keine besondere Kultur gebunden ist.

Ausser bei den Römern und Griechen finden wir orthogonal anlegte Städte im alten Mesopotamien, in Agypten, bei den Phöniziern und Etruskern, im mittelalterlichen Südfrankreich (Bastides) und auch das von den Incas angelegte Cuzco war orthogonal angelegt. Auch die alten chinesischen und japanischen Städte besassen orthogonal angelegte Strassennetze und die von Europäern in Amerika gegründeten Städte haben solche. Man denke an das kaiserliche Peking und an die japanischen Hauptstädte Fujiwara-Kyo, Heijo-Kyo (Nara), Heian-Kyo (Kyoto).

Schliesslich schufen die Spanier in der Neuen Welt Kolonialstädte mit orthogonalem Grundriss wie Havana, Lima und Buenos Aires. In Nordamerika sind Städte wie Philadephia, New York, Savannah, New Haven und Boston streng nach orthogonalem Schema angelegt worden. Schliesslich gehört auch Le Corbusiers Plan für Chandigar zum orthogonalen Städtebau.

Alle diese Städte haben eines gemeinsam: wie die antiken Griechen- und Römerstädte sind sie geplante Neuanlagen.

Man kann sich deshalb fragen, warum dieses besondere Interesse gerade für die von Griechen und Römern orthogonal angelegten Städte?

Ich glaube, dass das Interesse für die orthogonal angelegten Griechen- und Römerstädte mit der Situation zum Zeitpunkt ihres Bekanntwerdens im 19. Jahrhundert zusammenhängt. Wir befinden uns in der Gründerzeit. In Amerika wachsen auf den noch aus dem 18. Jahrhunderts stammenden Stadtplanungen neue Grossstädte wie New York und Philadelphia (Stadtplan von William Penn 1682) heran, und in Europa, entstehen nachdem dem Abbruch der alten mittelalterlichen Stadtmauern allerorts neue Vorstadte die ebenfalls gerade und rechtwinklig sich kreuzende Strassennetze besitzen. Gepflasterte Strassen und städtische Kanalisationen, welche die Städte meistens erst in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts erhielten, galten als eine der grossen Errungenschaften der Neuzeit. Die Entdeckung, dass es schon mehrere Jahrtausende zuvor Städte mit gepflasterten Strassen, Wasserleitungen und Kanalisationen gegeben hatte, muss das Selbstgefühl der Menschen, insbesondere das Selbstgefühl der Stadtplaner, stark getroffen haben. Es muss sich praktisch um einen moralischer Tiefschlag gehandelt haben.

Warum orthogonaler Stadtebau?

Was steckt nun hinter dahinter? Der allgemein menschliche Sinn für Ordnung oder praktische Überlegungen? Sicher beides. Sicher war die Entdeckung geometrischer Ordnungen eine der ersten abstakten Erkenntnisse des Menschen und seitdem war es sein Streben, das ganze Universum als geometrische Ordnung zu interpretieren. Kreis, Rechteck und Dreieck sind Grundelemente der Geometrie. Noch Kopernikus ging noch davon aus, dass die Bahnen, welche die Planeten um die Sonne beschreiben, Kreise sein müssten, weil der Kreis eine perfekte geometrische Figur ist, und es war für ihn undenkbar, dass der Schöpfer des Universums sich etwas anderes, als einer perfekten Figur bedient hätte. Sich die Welt als Kugel vorzustellen und sie in Kreise und Rechtecke zu teilen, ist eine alte Gewohnheit. Die Krümmung der Erdoberfläche ist so gering, dass man auf ihr ebene Geometrie betreiben kann, d.h. man kann auf ihr rechteckige Felder anlegen und rechteckige Häuser bauen, ohne dass man dabei die Erdkrümmung berücksichtigen muss.

Die moderne Erforschung des antiken Städtebaus


Während bei den meisten Altertumsforschern die Frage nach dem geschichtlichen Ursprung des orthogonalen Städtebaus, seiner Entwicklung und den Gründen für seine regional verschiedenen Ausprägungen im Vordergrund steht, interessiert sich der Architekt und der Ingenieur mehr für praktische Fragen. Zum Beispiel fragt er nach den Kriterien, nach denen die Strassennetze der Städte festgelegt und ausgerichtet wurden, nach denen die bebaubaren Flächen parzelliert worden sind, er fragt, welche Rolle dabei die Besonnung und die lokalen klimatischen Verhältnisse gespielt haben und so weiter. Die Antworten, die sich auf diese Fragen in der Literatur finden lassen, sind vielfältig und nicht frei von Spekulationen, nicht zuletzt deshalb, weil viele der römische Stadtgrundrisse erst bruchstückweise bekannt sind und noch Vieles auf hypothetischen Annahmen beruht.

Die Untersuchungen zum römischen Städtebau basieren hauptsächlich auf zwei Arten von Quellen, einerseits auf den Aussagen antiker Autoren und zweitens auf den Ergebnissen der archäologischen Forschung. Beide Quellen lassen sich häufig nicht oder nur schlecht miteinander verbinden. Von den Schriften antiken Autoren, die in irgend einer Weise das Thema “Stadt” behandeln, nehmen die wenigsten direkt Bezug auf die Planung von Städten. Philosophen wie Platon und Aristoteles haben sich wenig für die technischen Probleme der Stadtplanung interessiert. Bei ihnen geht es vor allem um die Stadt als ein zu organisierendes, politisches Gemeinwesen (polis, civitas), um den idealen Stadtstaat. Dass dieser Stadtstaat über wirtschaftliche Resourcen verfügen muss, um autark zu sein, dass die städtische Siedlung auf einen klimatisch günstigen und gut zu verteidigenden Ort errichtet werden solle, sind allgemeingültige Aussagen, die nicht das eigentliche Problem dieser Autoren betreffen.

Andere antike Schriftsteller berichten vom etruskischen Ritual der Stadtgründung. Die Etrusker galten als Spezialisten auf diesem Gebiet. Das Ritual bestand nebst religiösen Zeremonien darin, an einem durch Auspizien festgelegten Tag, das Areal einer neu anzulegenden Stadt durch eine mit dem Pflug gezogenen Furche zu begrenzen, und zwar in der Weise, dass die Schollen nach innen fielen und somit die Furche symbolisch die Mauern und den Graben bezeichnete. An der Stelle, wo die Tore stehen sollten, wurde der Pflug angehoben und damit die Furche unterbrochen. Dieser primigenius sulcus war heilig, wie überhaupt bei den Etruskern alle Grenzen, und bis zu ihm erstreckten sich städtischen Auspizien.

Offensichtlich war schon zur Zeit Plutarchs (46-120 n. Chr.) der Sinn vieler etruskischer Zeremonien und Gebräuche nicht mehr ganz klar und Vieles, was der etruskischen Überlieferung entstammte, wurde miteinander vermengt, aber auch wegen seines ehrwürdigen Alters hoch geachtet. Aufgefundene etruskische Grenzsteine zeigen, dass Grenzen ganz allgemein als heilig galten, und dass derjenige, der sie verletzte, den Zorn der Götter fürchten musste. Wenn man bedenkt, dass die antiken Gesellschaften keine genauen Katasterkarten kannten, aber sehr abergläubischen waren, ist dies eine ziemlich effiziente Art der Grenzsicherung.

Viel Verwirrung haben auch die Schriften der römischen Feldmesser gestiftet. Die frühesten dieser Schriften, die das Gebiet der Flurvermessung behandeln, stammen vom Ende des 1. Jahrhunderts u. Z. Sie enthalten sowohl technische Regeln als auch Grundsätze des Bodenrechts. Als Erfinder der Vermessungslehre werden in ihnen die Etrusker, aber auch die Ägypter genannt, hauptsächlich wohl deshalb, um das ehrwürdige Alter dieser Kunst zu betonen. Dies dürfte auch die Absicht Frontin’s sein, wenn er Varro zitiert, der als Urspung der Vermessungslehre die etruskischen Disziplin nennt, weil zur Beobachtung des Vogelflugs ein fester Bezirk abgesteckt und die Haupthimmelsrichtungen bestimmte werden mussten.

Eines ist sicher, keiner der römischen Feldmesser behandelt die Anlage von Stadtgrundrissen, ihre Schriften beziehen sich auf die Vermessung und Aufteilung des Landes zu landwirtschaftlichen Zwecken. Verbindungen zur Stadtanlage ergeben sich nur aus dem praktischen Grundsatz, den Ausgangspunkt, den Ursprung der Landvermessung im Stadtraum zu versiegeln und, wenn möglich, mit dem Raster des Stadtgrundrisses zu verbinden, weil er dort leichter auffindbar ist und weniger verloren geht.

Eine weitere Quelle zur römischen Stadtplanung sehen viele Forscher in Polybios’ Beschreibung des römischen Militärlagers. Polybios gibt eine detaillierte Beschreibung vom Musterplan des römischen Legionslagers. Das ganze Lager hat die Form eines Rechtecks, die Lagerstrassen kreuzen sicht rechtwinklig und verbinden die Tore, alle Lagerplätze sind rechtwinklig zueinander angeordnet und funktionell optimal in Beziehung zueinander gesetzt. Der Vorteil: Jede Abteilung weiss sofort wo ihr Platz ist.

Wichtig ist, dass man erkennt, dass die Tradition orthogonaler Stadtplanung nicht aus der einen oder der der anderen Quelle hervorgegangen ist, sondern aus einem allgemeinen, praktischen Nützlichkeitsdenken.  Es ging darum Funktionen Plätze  zuzuteilen: Plätze für Mannschaftszelte und die Kommandatur im Militärlager, Plätze für Häuser und öffentliche Gebäude in der Stadt.

Die Völker des Mittelmeerraumes, die Griechen, die Etrusker und die Römer, vermutlich auch die Phönizier und Karthager (2) haben bestimmte Muster hervorgebracht und bevorzugt nach dem sie die Stadtfläche aufteilten. Sowie heute Stadtplanung ein internationales Gesicht hat, so waren auch die Prinzipien orthogonalen Städtebaus in der ganzen Alten Welt verbreitet und anerkannt.

Was haben nun Stadtgrundriss, Landvermessung und Militärlager gemeinsam? Ganz sicher, dass sie rechtwinklich angelegt sind und dass in allen drei Fällen die Vermesser sich der gleichen Technik bedienten. Übliche Vermessungsinstrumente waren groma, Messlatte und Messband. Die groma war ein Instrument, das die gleiche Funktion hatte, wie die Kreuzscheibe, die noch vor wenigen Jahrzehnten bei Vermessungsarbeiten benutzt wurde. Mit ihr konnte man rechtwinklig sich schneidende Linien im Gelände ausfluchten. Der Name groma ist etruskisch und aus dem griechischen gnomon abgeleitet, dem Schattenstab, mit dem man den Sonnenstand und vor allem die Mittagslinie (Meridian) bestimmte. Wahrscheinlich gelangte der Name in die etruskische Sprache als die Etrusker im 6. Jahrhundert v. Chr. Kampanien kolonisierten und dabei mit den griechischen Kolonisatoren in Berührung gerieten.

Die römischen orthogonalen Stadtgrundrisse variieren stark, was zeigt, dass es keinen vorgeschriebenen Schemaplan gab, wie den, den Polibios für die Anlage von Militärlagern beschreibt. Die Vielfältigkeit der Stadtgrundrisse zeigt, dass sie das Ergebnis verschiedener Umstände sind, wenn auch im Hintergrund immer die Vorstellung einer Idealstadt präsent ist.

Grundelemente einer solchen idealen Stadtvorstellung können zum Beispiel sein: rechteckiger Umriss, ein Tor an jeder Seite, zwei sich in der Stadtmitte kreuzende Hauptstrassen, Markt und Haupttempel ebenfalls in der Stadtmitte.

Im konkreten Fall entsteht ein Stadtgrundriss jedoch nicht nur aus einer allgemeinen Idealvorstellung heraus, sondern auch aus der Berücksichtigung verschiedenster Faktoren wie, geplante Bevölkerungzahl, Geländebeschaffenheit, vorhandenes Strassennetz, übliche Grösse von Baugrundstücken und nicht zuletzt vom persönlichen, theoretischem Gepäck der planenden Personen und deren praktischen Erfahrung. Eine Stadt erhält sicher ein anderes Gesicht, wenn sie von einem engagierten Architekten und Städtebauer geplant wird, als wenn einfache Militärtechniker oder Vermesser am Werk sind, denen es genügt, die verlangte Anzahl Bauparzellen bestimmter Grösse auszuweisen. Besonders neue Kolonialstädte werden oft nach sehr einfachen Mustern angelegt, allein aus dem Grund, weil beim Einsetzen der Kolonisationstätigkeit selten hochqualifizierte Architekten und Städtebauer zur Verfügung stehen.

Einige grundsätzliche Bemerkungen zur Planung von Städten

Die meisten Städte, denen wir in Europa begegnen sind alt. Ihre Struktur wird oft als gewachsen bezeichnet, weil sich die ursprünglichen Ideen und Pläne, nach denen sie angelegt wurden, nicht mehr oder nur schwer im heutigen Stadtbild erkennen lassen. Jahrhundertelang waren sie Gegenstand von Umbau und Erneuerung, Zerstörung und Wiederaufbau. Die Anpassung an die wechselnden Bedürfnisse ihrer Bewohner hat die Spuren ihrer ursprünglichen baulichen Stuktur verwischt und nicht selten sogar vollkommen beseitigt.

Eine Notwendigkeit neue Städte zu bauen oder die bestehenden planmässig zu erweitern hat schon immer bestanden. Sie ist die Folge von Bevölkerungswachstum und Bevölkerungswanderung. Im antiken Griechenland hatte man bestimmte Vorstellungen von der optimalen Größe eines Gemeinwesens. War diese erreicht, dann gründete man an einem anderen Ort eine Kolonie. Im Römischen Reich gründete man neue Städte weniger, weil die alten Städte übervölkert waren, sondern hauptsächlich um in den eroberten Gebieten feste Orte zu schaffen, von denen aus man das Land kontrollieren konnte. Die in den römischen Provinzen errichteten neuen Städte sind in erster Linie Verwaltungs- und Militärstützpunkte. Weil diese wirtschaftlich autark sein mussten, teilte man ihnen große Territorien zu und siedelte Menschen an, die das Land bestellten.

Seit der Entdeckung Amerikas im Jahre 1492 wurde dieser Kontinent von den europäischen Staaten kolonisiert. Dabei ging es anfänglich weniger um das Land selbst, als um seine Bodenschätze. Erst im 19. Jahrhundert wurde der Bevölkerungsdruck in Europa so stark, dass aus den wirtschaftlich schwächsten Regionen viele Menschen nach Amerika auswanderten. Die Folge war ein immenser Bedarf an neuen Städten und Siedlungen die geplant werden mussten. Heute ist es die  Bevölkerungsexplosion in den Ländern der Dritten Welt, welche die Urbanisationstätigkeit antreibt, sowie die „Landflucht“, womit die Wanderung von Landbewohnern in die Städte und in Grossstädte gemeint ist.   

Bei der Anlage neuer Städte hat sich das orthogonale Rastersystem jahrtausendelang bewährt, nicht nur im Altertum bei der Koloniegründungen der Griechen und Römer, sondern auch in der traditionellen chinesischen und japanischen Stadtplanung und nicht zuletzt bei den Stadtgründungen in der Neuen Welt. Erst mit dem Aufkommen und der Zunahme des Autoverkehrs kam man vom System rechtwinklig sich schneidender Strassen ab. Ein orthogonales Strassensystem ist leicht zur vermessen und rechteckige Strassenblöcke lassen sich wieder sehr einfach in rechteckige Baugrundstücke aufteilen.

Zu den ältesten uns bekannten orthogonalen Stadtanlagen gehören zwei Arbeitersiedlungen in Ägypten. Die eine, el-Kahun, stammt aus der Zeit um 1890 v.u.Z. und wurde für die Arbeiter errichtet, die an der Pyramide des Sesostris  II bauten; die andere ist ein Arbeiterquartier von Aketaton (Tell el-Amarna), der neu, etwa um 1360 v.u.Z., errichteten Residenzstadt von Amenophis IV (Akenaton). Beide Anlagen sind grosse ummauerte Rechtecke, deren Fläche von parallelen Strassenzügen durchzogen und in viereckige Baugrundstücke geteilt ist, auf denen eine Art Reihenhäuser standen.

Auch das Babylon Hammurabis war nach orthogonalem Plan angelegt. Herodot (5) berichtet von geradliniegen Strassen, die teils parallel, teils rechtwinklig zum Euphrat verliefen. Die Ausgrabungen haben dies bestätigt. Die etwa um 2000 v.Chr. geplante Anlage bildete ein Rechteck von rund 1.500 x 2.000 Meter, das vom Euphrat in zwei ungleiche Teile geteilt war. Auf dem Ostufer stand die Altstadt, auf dem Westufer die Neustadt. Die Längsmauern waren durch jeweils drei Tore in vier Abschnitte geteilt, in der Mitte der Quermauern lag jeweils ein Tor. Die Tore waren durch gerade Strassenzüge miteinander verbunden.

Eine ähnliche Anlage haben wir im assyrischen Khorsabad, der Hauptstadt Sargons II. Die  Stadt hat einen nahezu quadratischen Umriss und bedeckt eine Fläche von 300 Hektar. Die Seitenlänge der Stadtmauern beträgt ungefahr 1700 Meter. Aus der Lage der sieben bekannten Tore lässt sich auf eine orthogonales Strassennetz schliessen.

Der Ursprung des orthogonalen Städtebaus liegt im Dunkeln. Es wird vermutet, dass schon die Stadt Mohenjo-Daro im Industal (2700-2500 v.Chr.) ursprünglich nach orthogonalem Muster angelegt war.

Grundsätzlich kann man sagen, dass orthogonale Bebauungspläne überall dort Anmwendung fanden, wo es sich um Neugründungen, Wiederaufbau, geplante Erweiterung und Modernisierung von Städten gehandelt hat. Für die Verwendung orthogonaler Bebauungspläne sprechen vor allem praktische Vorteile:

- die Vermessung ist mit einfachen Instrumenten zu bewerkstelligen
- die Stadtfläche lässt sich mühelos parzellieren  
- die Grösse der einzelnen rechteckigen Flächen lässt sich unschwer berechnen
- der Stadtboden lässt sich gerecht an die Bürger verteilen (Parzellengrösse)
- die Einhaltung der Grundstückgrenzen lässt sich leicht kontrollieren
- die Grundstückgrenzen sind leicht rekonstruierbar
- Kanalisationen und Wasserleitungen werden planbar
- rechteckige Hausgrundrisse lassen sich gut einfügen
- die Stadtfläche wird restlos gut genutzt
- es entsteht Übersichtlichkeit (Ordnung)

Angesichts dieser vielen Vorteile ist es ziemlich überflüssig zu fragen, warum man orthogonale Bebauungspläne benutzt hat.

Wenn manche Autoren (6) behaupten, das Formprinzip des antiken Städtebaus sei aus der Religion hervorgegangen, dann ist das nur zur Hälfte richtig. Natürlich hat auch diese eine Rolle gespielt, denn auch in der Religion geht es um Ordnung, häufig um eine kosmische Ordnung, in der sich der Mensch und seine Werke einzufügen haben. Diese Ordnung ist meist eine geometrische Ordnung, und mache griechische Denker haben in der Geometrie eine göttliche Ordnung erkennen wollen. Diesen Gedanken finden wir nicht nur bei den Griechen, sondern kehrt auch im altchinesischen Städtebau wieder.

Religion war im Altertum nicht ein Teil des Lebens wie heute, sondern das Leben schlechthin. In allem waren höhere Mächte gegenwärtig, und diese Anwesenheit wurde von den Menschen real verspürt. Als man im kleinasiatischen Ionien die Zusammenhänge geometrischer Ordnungen philosophisch zu durchleuchten begann, lag nichts näher, als in ihnen den Ausdruck göttlicher Ordnung zu sehen. Durch die philosophische Beschäftigung mit Ordnungen wurden der Entwicklung von Geometrie und Arithmetik zwei Wege geöffnet, der eine, rationale, führte zur Vervollkommnung von Rechenkunst, Physik und Astronomie (Eukleides, Archimedes, usw.), der andere, irrationale, zu oft eigenartigen mystischen Spekulationen (Pythagoräer, Neupythagoräer).

Auch der orthogonale Städtebau, der auf geometrisch-arithmetischen Prinzipien aufbaut, erhielt in manchen Kreisen eine religiös-mystische Deutung und wurde mit mancherlei Ritualen verbunden. Diese hatten aber auf die Stadtplanung kaum grossen Einfluss. Stadtgründungsriten hatten und haben genau so grosse Auswirkungen auf das Aussehen der Städte, wie unsere heutigen Grundsteinlegungen auf die Architektur der Gebäude. Alle Städte werden häuptsächlich nach rationalen Kriterien geplant, aber die Gründung einer neuen Stadt hat auch rechtlichen und sozialen Charakter und unterliegt somit auch “höheren Werten”. Wenn Bürgermeister und Pfarrer gemeinsam einen neuen Kindergarten oder ein neues Altersheim einweihen, so spiegelt sich darin der uralte Grundgedanke, dass menschliche Werke ohne den Schutz der Götter unvollkommen bleiben.

“Nahezu jede Politik, sei es die des Staates, der Regionen oder der Gemeinden, hat irgendwelche räumlichen Auswirkungen. Das heisst jedoch nicht, dass wir es dabei mit einer Raumordnungspolitik oder mit Raumplanung zu tun haben. Erst wenn der Staat, in Erkenntnis der Zusammenhänge zwischen räumlicher Ordnung und Politik, gezielt in die räumliche Ordnung eingreift, um nichträumliche Effekte zu provozieren (z.B. Sicherheit, Wohlstand, usw. für seine Bewohner), lässt sich von Raumordnungspolitik und von Raumplanung sprechen” .

In der Antike war es bei Neugründungen üblich, die Fläche innerhalb der Mauern neuer Städte rechtwinklig zu unterteilen. Diese orthogonal geteilten Grundrisse antiker Städte haben die Stadtforschung schon immer sehr angezogen. Die Forschung hat sich jedoch vorwiegend mit dem Problem deren Ursprungs beschäftigt und Vorbilder dafür gesucht. Wenig hat sie dabei nach der Funktionalität gefragt. Dabei liegt es auf der Hand, dass rechtwinklig geteilte Grundrisse bei der geplanten Neuanlage von Städten einfacher zu realisieren sind, als unregelmässige. Schon mit wenigen geometrischen Kenntnissen und einfachen geodätischen Hilfsmitten lassen sich rechte Winkel im Gelände konstruieren sowie Grenzen und Parzellen abstecken. Die Genialitat der römischen Katasters besteht gerade eben darin, das Territorium in genormte, weiter unterteilbare grosse Rechtecke zu unterteilen, diese zu Numerieren und in Listen diejenigen Personen oder Familien zu erfassen, die in einem Rechteck ein Grundstück besitzen oder gepachtet haben. Diese Einteilung erlaubt eine einfach Kontrolle: da die Fläche der grossen Rechtecke bekannt ist, kann die Summe der Einzelflächen niemals grösser sein als die Fläche eines grossen Rechtecks.

In der Stadtplanung hat man nach derselben Methode und mit den gleichen Hilfsmittel gearbeitet wie bei der Flurteilung, nur ist zu bedenken, dass in der Stadt Baugrundstücke und Strassen zu parzellieren sind und keine Äcker. Für die Breite der Haupt- und Nebenstrassen gab es Normmasse und die rechteckigen, von Strassen umsäumten Flächen wurden so dimensioniert, dass sie ohne Schwierigkeiten in kleinere Bauparzellen unterteilt werden konnten. Die von den Strassen umgrenzten Flächen dienen dem Bau öffentlicher und privater Gebäude und werden zu diesem Zwecke meist noch in kleinere Grundstücke parzelliert.



Literaturhinweise
   
(1)  Castagnoli, F.: Orthogonal Town Planning in Antiquity, MIT Press, Cambridge (Mass.) (1971)
(2)  Ward Perkins, J.B.: Cities of Ancient Greece and Italy. Town Planning in Classical Antiquity, New York (1974), 128 pp., ill., plans
(3)  Herodot I, 180
(4)  Coppa, M.: Storia dell’Urbanistica I & II, Torino 1968
(5)  Herodot I, 180
(6)  Litz, K.: Städtebau in kulturmorphologischer Sicht; in: Werk 7 (1959), S. 224-228)

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